Dienstag, 24. Februar 2015

La terre, c'était le charbon: Jugendarbeit beim RC Lens

Moin liebe Leserin, Moin lieber Leser, dieser Beitrag ist umgezogen und findet sich fortan hier.

"Quo vad -", ach nee, "wat is, Podolski?"

Brasilien, Sommer 2014. Deutschland wird Weltmeister, nach Jahren der Entbehrung und des knappen Scheiterns gelingt Joachim Löw und seinem Team der große Coup. Zehn Jahre nach ihrem Debüt recken Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski den Pokal in die Höhe. Aus dem einstigen, welpenhaften Duo "Basti" und "Poldi" sind zwei mehr oder weniger erwachsene Profis geworden, die ihre Karrieren nun mit diesem Titel krönen. Aus den blödelnden, aber extrem talentierten Jungs sind fußballerische Weltmarken geworden, deren Karrieren aber eigentlich nicht unterschiedlicher hätten verlaufen können. Auf der einen Seite Bastian Schweinsteiger, mittlerweile an den Schläfen in Ehren ergraut und einer der Säulen eines der besten Vereine der Welt und auf der anderen Lukas Podolski, schelmenhafter Kölscher Jung, dessen unstete Karriere dem großen Versprechen nicht nachkam. Erinnern wir uns zurück an die WM 2006 in Deutschland. Nicht etwa Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi werden zum besten jungen Spieler des Turniers gewählt. Mit drei Toren ist es Podolski, gerade mal wieder mit dem 1.FC Köln abgestiegen, der ausgezeichnet wird und mit der Trophäe seinen Dienst bei Bayern München antritt. Für die Weltkarriere scheint eigentlich alles angerichtet zu sein. Neun Jahre und drei weitere Vereinswechsel später ist Lukas Podolski in Italien gelandet und bestreitet mit Internazionale an einem Montagabend ein Auswärtsspiel in Cagliari. Er steht in der Startelf, weil andere Kräfte geschont werden und er im Hinspiel des Europa-League-Sechzehntelfinales nicht zum Einsatz kam, weil er für diesen Wettbewerb nicht gemeldet ist. Podolski ist engagiert, arbeitet sich Chancen heraus, trifft aber auch in seinem siebten Ligaeinsatz nicht. Das Urteil der italienischen Presse am nächsten Tag fällt dementsprechend vernichtend aus:

"Er macht alles Mögliche falsch und trödelt vor dem Tor, man fragt sich, ob man noch den Poldi aus alten Zeiten vor sich hat" (Gazzetta dello Sport)
"Eine weitere mittelmäßige Leistung mit verfehlten Gelegenheiten" (Corriere dello Sport)
101greatgoals.com
Aus den (zugegebenermaßen doch recht subjektiven) Augen des Verfassers schießen die Gazetten damit ein wenig über das Ziel hinaus. Sichi, mit der Verpflichtung Podolskis haben sich die Nerrazzuri einen Weltmeister mit 121 Länderspielen ins Boot geholt, doch so schlecht war seine Leistung in diesem Spiel nicht. Beweglich, gut ins Kombinationsspiel eingebunden und mit dem Pre-Assist für Kovavic' 1:0 war es kein überragendes, aber auch kein extrem schlechtes Spiel von Podolski. Doch natürlich werden Stürmer, wie man immer so schön sagt, an Toren gemessen. Da steht auf Poldis Habenseite nach mittlerweile sieben Serie-A-Spielen eine kalte Null. Auch in der Premier League konnte Kölns Idol in der ersten Halbserie dieser Saison keinen Treffer erzielen (bei sieben Jokereinsätzen allerdings auch kein so großes Wunder). In der Champions League lief es dann ein wenig besser, vier Jokereinsätze und das entscheidende 2:1 in Anderlecht stehen zu Buche. Im unbedeutenden letzten Gruppenspiel gegen Galatasaray traf Poldi dann doppelt. In der deutschen Presse wird sein bisheriges Intermezzo im Land des Calcio aber auch eher als Missverständnis abgetan. Der andere große Winterneuzugang, der ehemalige Bayern-Spieler und Mini-Kühlschrank Xherdan Shaqiri wurde für die Europa-League nachgemeldet, während Podolski donnerstagabends die Sky-Berichterstattung verfolgen darf. Dass die Nichtmeldung allerdings bereits Gegenstand der Vertragsgespräche war, wird dabei gern verschwiegen. Dementsprechend begann der Abgesang auf eine Karriere eines Spielers im Alter von 29 Jahren, der bis dato 121 Länderspiele angehäuft hatte. Die aktuellen Leistungsdaten sprechen sicherlich nicht für Podolski. Auch seine Aktivität auf Twitter und Facebook, die Kreation eines eigenen Modelabels und die omnipräsente Gute-Laune-Mentalität des Kölners sorgen bei einigen Beobachtern für Missstimmung. Was nach der Saison mit ihm passiert, ist noch unklar. Arsenal und Inter werden verhandeln, Stand jetzt kehrt er aber im Sommer nach London zurück. Die Perspektive dort? Giroud, Özil, Walcott, auch Oxlade-Chamberlain, Cazorla. Ramsey und Wilshere, dazu weitere aktuelle Leihspieler wie Yaya Sanogo und Joel Campbell stehen Arsène Wenger für den Offensivbereich zur Verfügung. Man muss kein großer Prophet sein, wenn man behauptet, dass Podolskis Zeit bei Arsenal sich selbst nach einem gelungenen Aufenthalt in Italien dem Ende entgegen neigt. Zur Not kenne ich da einen Verein in Deutschland, der dringend einen Offensivspieler braucht...damit würde sich dann auch ein Kreis schließen. Warten wir's ab.

Stephan Grühsem und weiße Maler-Anzüge

In den letzten Wochen ist dermaßen viel auf die Fanszene des 1.FC Köln eingeprasselt, dass jetzt auch ich mich dazu ermutigt fühle, meine Meinung darzulegen. Dem an sich gelungenen Rückrundenstart durch das 2:0 in Hamburg (an dieser Stelle Glückwunsch an alle HSV-Fans, Tradition und Stadionnamen lassen sich tatsächlich kaufen) folgten zwei spektakuläre und auch in der Höhe verdiente 0:0-Unentschieden gegen Stuttgart und Paderborn, eine (aus anderen Gründen) schmerzhafte Niederlage im Derby gegen Mönchengladbach und ein rasantes 1:1-Unentschieden gegen Hannover 96. So weit, so gut, dieselbe Ausbeute wie in der Hinrunde, nichts ist verloren.
In der Woche nach dem Paderborn-Spiel überzeugte der Aufsichtsratsvorsitzende des allseits beliebten Familienunternehmens Volkswagen mit der Aussage, dass der sympathische Vorortverein VfL Wolfsburg insgesamt dann doch über mehr Tradition verfügt wie das kalte und und gefühllose Plastikprodukt 1. Fußballclub Köln. Er reagierte damit auf die kritischen Worte, die ihm nach der Verpflichtung des Weltmeisters André Schürrle aus vielen Bundesligastandorten entgegenschlugen. Gut, 32 Millionen Kaufpreis und sechs Millionen Leasingrate pro Jahr sind sicherlich kein Pappenstiel, sie können dann auch gerne schon mal den Ausschlag dahingehend geben, in die familienfreundliche Metropole zwischen Königslutter und Gifhorn zu ziehen. Doch zurück zum eigentlichen Thema.
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Stephan Grühsem, so der Name des einfühlsamen Mittfünfzigers, zu sehen links, empörte sich darüber, dass solche großen fußballerischen Investments nötig seien, um den deutschen Fußball insbesondere auf internationalem Parkett konkurrenzfähig zu halten. Er wünsche sich weniger Anfeindungen und eine realistischere Betrachtungsweise, fügte er hinzu. Bis hierhin kann man ja noch zähneknirschend zugeben, dass er in gewisser Weise ja schon Recht hat (werfen wir den Blick nach England, wo komplette Mondsummen für zugegebenermaßen dann doch eher mittelmäßige Spieler ausgerufen werden, an dieser Stelle schöne Grüße an Stewart Downing), doch die folgende Exklamation sorgte dann doch eher für allgemeines Kopfschütteln und Fremdschämen: "Der VfL Wolfsburg hat mehr Tradition als der 1.FC Köln!"
Bumm, das saß, dachte sich Stephan und zerknüllte seine auf Blattgold verfasste Rede. 
Vergleicht man die nackten Zahlen, muss man dem Mann mit dem markanten Militärhaarschnitt Recht geben. Der Traditionsverein aus Niedersachsen wurde tatsächlich 1945 gegründet, während der Chaosklub vom Rhein erst drei Jahre später ins Leben gerufen wurde. Ich denke aber, dass wir darin übereinstimmen können, dass Tradition nicht mit dem Gründungsjahr gleichzusetzen ist. Dies wird dann noch dadurch untermauert, wenn man sich die Stadtgeschichte anschaut, die ja einen nicht ganz unwesentlichen Einfluss auf den Charakter eines Fußballvereins nehmen kann. Das Silicon Valley der Automobilindustrie war dabei im Mittelalter eine Wasserburg, aus der sich in den folgenden Jahrhunderten eine kleine Gemeinde entwickelte. Die Nazis machten aus Wolfsburg dann den Sitz des Volkswagenwerks, irgendwo mussten ja die Arbeitskräfte untergebracht werden. Kurz nach Kriegsende wurde dann der Verein für Leibesübungen Wolfsburg gegründet. Zu diesem Zeitpunkt war an den 1.FC Köln hingegen noch gar nicht zu denken. In Köln, unter Regentschaft der Römer Colonia Claudia Ara Aggripinensium genannt, konkurrierten zu dieser Zeit mehrere kleine Stadtteilvereine um die städtische und regionale Vorherrschaft, erst die Fusion des Kölner BC 01 mit Sülz 07 brachte im Jahre 1948 den 1.FC Köln hervor. Knapp siebzig Jahre später spielen sowohl der VfL als auch der FC in der Bundesliga. Der VfL, rein sportlich aktuell die zweitbeste Kraft in Deutschland, hat mittlerweile eine extrem spielstarke und talentierte Mannschaft beisammen, während der FC sich nach zwei Jahren Zweitklassigkeit mit einer jungen und unerfahrenen Mannschaft in der ersten Liga zu etablieren versucht. Versucht man nun, den Begriff Tradition im Fußball näher zu definieren, kommt man unweigerlich auf Faktoren wie Anzahl der Mitglieder, Fanclubs und Auswärtsfans, Atmosphäre im Stadion, öffentliches Interesse und generelles Image des Vereins. Hierzu wurde bereits an anderer Stelle alles gesagt, deswegen schließe ich damit, Herr Grühsem zu seinem willentlich kreierten Shitstorm zu gratulieren. 

http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/wie-koelner-chaoten-fans-in-gladbach-den-tag-versauen-13430206.html
Kommen wir nun zu dem, was am 13. Februar in Mönchengladbach passiert ist, wenn wir schon beim Thema Fans und Vereinsimage sind. Während der Terminierungen für die Rückrundenspiele scheint der DFL nicht aufgefallen zu sein, dass das Auswärtsspiel des 1.FC Köln bei Borussia Mönchengladbach auf den Samstag vor Rosenmontag fiel. In Anbetracht der Vorgeschichte zwischen den Fanlagern beider Vereine und den Vorkommnissen aus dem Hinspiel, als (anscheinend) Hooligans aus dem Gladbacher Milieu vor der Kölner Südkurve den Versuch unternahmen, die Heimkurve einzunehmen, erschien diese Entscheidung schon vor Anpfiff des Spiels zumindest diskutabel. Dem Spiel, welches der FC nach solider Leistung durch einen cleveren Faller von Branimir Hrgota durch eine Standardsituation mit 0:1 verlor, folgte dann ein Platzsturm von knapp 30 Personen, die vorher im Gästeblock das Spiel verfolgt hatten. Die zeitliche Nähe zu Karneval ermöglichte es diesen Personen, sich legitimerweise zu verkleiden - welch Zufall, dass sie dabei eine Verkleidung wählten, die die Vermummung des eigenen Gesichts ermöglichte. In weißen Maleranzügen "stürmten" die "Fans" dann den BorussiaPark, was konkret gesagt dann sah aussah, dass sie sich auf Höhe der Mittellinie ihrer Dummheit bewusst wurden und wieder umdrehten. Nur blöd, dass zu diesem Zeitpunkt dann auch schon die Staatsmacht zurück ins Stadion kam, nachdem sie sich schon für den Abtransport der Fangruppen vorbereitet hatte. In bewundernswerter Zusammenarbeit schafften es Gladbacher Fans, Ordner und die Polizei, die 30 Personen in den Maleranzügen freundlich aus dem Stadion zu geleiten. Niemand kam zu Schaden, zwei Personen wurden festgenommen. Doch insgesamt bleibt für mich der Eindruck, dass die DFL sich hier die Geister selbst gerufen hat...
Dem medialen Aufruhr folgte dann kurze Zeit später eine Aussage des DFB-Sicherheitschefs Hendrik Große Lefert, der sogar ein generelles Verbot von Auswärtsfahrten in Erwägung zog. Wie bitte?
Der Dialog zwischen DFL, DFB und Fanvertretern hat in der Vergangenheit zu vielen Verbesserungen und Entspannungen geführt. Gerade in Hinblick auf die Fanszene in Köln hat sich vieles zum Besseren gewandelt. Doch grundsätzlich ist es auch so, dass spätestens seit den Ereignissen rund um das Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC Berlin im Mai 2012 eine gewisse populistische Tendenz in der Berichterstattung zu erkennen ist (kulminiert in Johannes B. Kerners Auslebung als Pyromane). Man kann darüber diskutieren, ob der 1.FC Köln einen Online-Pranger einrichten muss, um die Personen zu identifizieren, die an dem Platzsturm beteiligt waren. Man muss allerdings über Kollektivstrafen und Pauschalurteile diskutieren. Ich verurteile den Platzsturm als solchen, ich bin komplett dafür, Verantwortlichen und tatsächlich Schuldigen ein Stadionverbot zu erteilen, doch der Platzsturm von Gladbach darf fortan nicht als Damokles-Schwert über der Fanszene des 1.FC Köln hängen. Nach dem Ausschluss des Fanclubs Boyz zeigten sich andere Fanclubs anlässlich des Heimspiels durchaus solidarisch, aber auch kritisch. Die Fanszene ist bunt, vielfältig und heterogen. Verfehlungen Einzelner dürfen, und da greife ich die Worte Hendrik Große Leferts (warum hat er eigentlich keinen Bindestrich zwischen seinen Nachnamen? Das ist genauso kurios wie bei Dirk große Schlarmann von SkySportNewsHD) wieder auf, in keinster Weise auf eine ganze Gruppe oder Szene projiziert werden. 

Zum Abschluss noch beste Genesungswünsche an das große FC-Talent Yannick Gerhardt. Gestern wurde bekannt, dass Yannick am Pfeifferschen Drüsenfieber leidet und bis auf Weiteres ausfällt. Alles Gute und hoffentlich bis bald auf dem Platz!